Die Diktatur eines Oligopols

Ein Oligopol ist eine Marktform bei der nur wenig Anbieter einer Vielzahl von Nachfragern gegenüber stehen. In der Energiewirtschaft ein bekanntes Problem aber auch in der Computertechnik gab es schon immer ein Oligopol, welches schon mehr als einmal kurz davor stand sich zum Monopol zu entwickeln. Gegen Ende der 90er Jahre kämpfte Microsoft gegen die Kartellbehörden an, nicht als Monopolist eingestuft zu werden und sponsorte damals Apple mit dem Kauf ein Aktienpakets von mehreren Hundert Millionen Dollar, um einen nennenswerten Mitbewerber auf dem Markt zu halten und um die Zerschlagung des Microsoft Imperiums in viele kleine Unternehmen zu verhindern.

Eine typisch amerikanische Geschichte, denn es passiert den Amerikanern nicht selten, dass die ehemals Geretteten oder an der Macht gehaltenen sich nun gegen sie stellt und auch hier hat sich die Geschichte so oder zumindest so ähnlich entwickelt, denn das Blatt hat sich nun gewendet und Apple ist heute in der Lage nicht nur seinen Jüngern seinen Willen aufzuzwängen. Mit der Entwicklung eines völlig neuen Betriebssystems hat sich Apple an die Vormachtstellung von Microsoft Windows heran gekämpft, ist vermutlich Weltmarktführer im Smartphone und Tablet-PC Segment und hat mittlerweile in seiner Fangemeinde Kultstatus erreicht. Betrunken vom Erfolg regiert Apple mit seinem Frontmann Steve Jobs wie in einem Rausch und verliert zunehmend den Kontakt zur Basis. Wie in der Politik werden auch in der Schaltzentrale von Apple in Cupertino Entscheidungen völlig am Kunden vorbei getroffen und die Zukunft der Computertechnik dem Benutzer diktatorisch aufgezwängt.

Als Computertechniker habe ich diesen Wandel von Anfang an miterlebt und muss gestehen, dass auch ich mich nicht dem Charme von Apple entziehen konnte. Unsere Infrastruktur von ca. 100 Computerarbeitsplätzen besteht ziemlich ausgeglichen aus Microsoft und Apple, gewürzt mit etwas Linux. Wir sind im grafischen Gewerbe tätig und hier konnte sich Apple bis heute als Branchenführer behaupten. Vor noch wenigen Jahren habe ich Apple in diesem Segment verteidigt aber langsam gehen mir die Argumente aus. Man hat den gewagten Schritt von Apple bei der Entwicklung eines vollständig neuen Betriebssystems vor ziemlich genau zehn Jahren begrüßt und sich mit der fundamentalen Umstellung arrangiert, weil es konnte nur noch besser werden. Dann kam die Umstellung der Motorola CPUs der letzten Generation der PowerPCs (PPC) auf die Intel CPUs, was auch noch in Kauf genommen wurde, obwohl sehr bald abzusehen war, dass dieser Wechsel nicht nur für den Verbraucher teuer werden könnte, denn auch die Softwarehersteller mussten sich auf die neue Architektur einstellen aber jene die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt haben, wussten geschickt dies für sich auszunutzen.

Heute muss man als Endverbraucher schon die Release Notes der neuen Systeme genau studieren, um den immer zahlreicheren Fallen, die bei der Einführung eines neuen Betriebssystems lauern, auszuweichen oder besser gesagt sich Brücken zu bauen, denn ein Ausweichen ist oft gar nicht möglich. So ist zB die Creative Suite 5 von Adobe nicht mehr auf PPCs lauffähig, was vielen Kunden bei der Neuanschaffung dieses Softwarepakets auch gleich die Entsorgung seiner Hardware auferlegt. Zähneknirschend legt man sich dann einen neuen Mac für viel Geld zu und wer das Pech hat diesen mit Mac OS 10.6 (Snow Leopard) gekauft zu haben, muss feststellen, dass er seine Freehand Dateien nicht mehr bearbeiten kann, weil dieses Programm auf Mac OS 10.6 nicht unterstützt wird. Glücklich ist der, der mehrere Macs in seinem Umfeld stehen hat und ggf noch einen älteren Mac hat, auf dem er seine Daten umbauen kann. Pech gehabt hat der, der sich als Einzelkämpfer an der Front durchbeißt und plötzlich vor einem erst mal unlösbaren Problem steht.

Pech gehabt haben aber auch die Unternehmen, die eine gewachsene Netzwerkinfrastruktur haben und nicht jede Komponente dem neuesten Stand entspricht. So war es zB ja schon länger kein Geheimnis mehr, dass die AFP Protokoll Implementierung von Apple die schlechteste ist, welche auf auf dem Markt ist - obwohl Apple sie erfunden hat - und deshalb viele Unternehmen auf Dritthersteller wie zB Helios Ethershare als Fileserver ausgewichen sind. Das Apple dann plötzlich die AFP Spezifikationen so abändert, dass Snow Leopard nur mit dem neuesten Release von Ethershare betrieben werden kann, hat Helios dankend angenommen und lächelt den verärgerten Benutzer mit Dollarzeichen in den Augen an, denn das Update von der Version UB auf UB+ kostet viele 1000 Dollar. Alleine für unsere Infrastruktur wären ca. 5.000 Euro fällig gewesen, nur für einen Fileserver und nur für ein Update wohlgemerkt. Wir haben uns verweigert und sind jetzt auf ExtremeZ-IP ausgewichen und betreiben unseren Apple Fileserver jetzt auf einem Windowsbetriebssystem, weil der immer noch stabiler läuft, wie ein Mac OS X Server. Soweit ist es schon gekommen.

Nachdem nun Apple seine Jünger dazu erzogen hat, sich kurz vor dem Erscheinen einer neuen Betriebssystem Version, mit ausreichend neuer Hardware einzudecken um nicht gleich wieder in die ein oder andere Falle zu tappen, schlagen sie jetzt ein neues Kapitel auf. Die brandneue Version 10.7 (Lion) des Mac Betriebssystems wird nicht mehr mit einem Datenträger ausgeliefert, sondern muss online heruntergeladen werden, bzw. ist auf der Festplatte des Macs eine Partition, welche den Installer enthält, um im Ernstfall von dort das Betriebssystem neu zu installieren. Aber was passiert bei einem Festplattencrash, wenn diese Installationspartition nicht mehr vorhanden ist? Apple sagt dazu, dass man die Vorgängerversion Snow Leopard installieren und sich dann damit den Lion Installer herunterladen soll um dann ein Upgrade auf Lion durchzuführen zu können. Was ich vorher nicht durfte bzw. gar nicht konnte, nämliche eine ältere Betriebssystem Version zu installieren, muss ich jetzt machen! Apple wird sich freuen, dass Millionen Idioten jetzt deren Lagerbestände leer gekauft haben, um ein Problem zu vermeiden, welches plötzlich keines mehr ist.

Das in Lion nun auch der Rosetta Support und damit die Unterstützung von älteren PPC Programmen eingestellt wurde, erscheint eigentlich nur noch als konsequent und wieder werden sich ein paar Firmen freuen, endlich ihre neuesten Produkte verkaufen zu können. Eine erste Testinstallation von Lion hat bereits ein weiteres Problem ans Licht gefördert. Das Fiery RIP eines fünf, sechs Jahre alten Großdruckers von Xerox kann nur mit einem PPC Treiber angesprochen werden, welcher auf der Intel Plattform Rosetta benötigt. Ein neuerer Treiber bedingt eine neuere RIP Version, welche ein neues RIP benötigt. Der "Schaden", wenn ich es mal so nennen darf, beläuft sich auf mehrere 1000 Euro und dieser offenbart sich schon am ersten Tag, als wir Lion installiert haben.

Mehr Sorgen aber bereitet mir die politische Ausrichtung von Apple. Das Apple mit dem Erscheinen eines Servicepacks, welches Sicherheits- und Stabilität-Updates enthält, auch gleich noch neue Features mit installiert, die man gar nicht haben möchte, mag dem unbedarften Benutzer unberührt lassen aber für den kritischen Betrachter offenbart sich auch hier die diktatorische Tendenz wie Apple seine Gefolgschaft auf die Zukunft vorbereitet. So kam schon mit einem der letzten Updates von Snow Leopard ungefragt der AppStore auf den Rechner und in Lion ist er logischerweise von Anfang an am Start. Im Jahr 2010 hat Steve Jobs auch verkündet, dass man plane, ähnlich wie beim iPhone, Software nur noch ausschließlich über den AppStore installieren zu können. Der Benutzer soll dadurch profitieren, dass nur dadurch eine hohe Qualität der Programme gewährleistet sein kann, weil Apple die Anwendungen zertifiziert und die Softwarehersteller sollen dadurch profitieren, dass bei jedem Start des Programms überprüft wird, ob eine gültige Lizenz für das Programm vorhanden ist. Das Apple dabei kräftig mit verdienen wird, wie jetzt auch schon bei den iPhone Apps und obendrein die volle Kontrolle erlangt, was auf den Macs laufen darf und was nicht, wurde zwar nicht ausgesprochen aber liegt auf der Hand.

Apple nimmt sich ja jetzt schon beim iPhone oder iPad die Freiheit diktatorisch zu entscheiden, was auf dem Gerät abgespielt und angezeigt werden darf. So musste schon die Bild-Zeitung mit einem Boykott seitens Apple kämpfen, weil das nackte Covergirl der Bildzeitung nicht den moralischen Ansprüchen Apples entspracht. Man kann jetzt bei der Qualität der Bild-Zeitung unterschiedliche Meinungen haben aber eine Zensur bei der Verbreitung von Nachrichten, durchgeführt nicht mal von einem Staat oder einer Regierungsbehörde, sondern von einem privaten Unternehmen, geht zu weit. Entschieden zu weit! Seit wann schreibt mir ein Hersteller eines Fernsehers vor, welche Programme ich sehen darf und welche nicht? Diesen Einfluss versucht Apple nun auch auf den Computersektor zu übertragen und kann für den Anwender noch ganz üble Folgen haben. Die Situation wird sich nämlich noch massiv verschärfen, wenn wir uns von der neuesten Sau, die durch das Dorf getrieben wird, überrennen lassen - müssen. Der Cloud, die Wolke auf der zurzeit alle großen Global Player schweben.

Dem Benutzer wird dadurch eine nie dagewesene Mobilität versprochen, denn er kann überall auf seine Daten zugreifen. Programme sollen zukünftig nicht mehr gekauft werden, sondern im Minuten- oder Sekundentakt gebucht werden, bzw Programmbenutzungs-Flatrates werden aus den Boden schießen. Der Benutzer muss sich nicht mehr um ein Backup seiner Daten kümmern. Die Administratoren müssen sich in den Firmen nicht mehr um eine ausreichende Rechenleistung der Server kümmern. Eine hochdynamische Skalierbarkeit der Speicherkapazitäten ist gewährleistet. Probleme mit veralteten Programmen und Hardwarekomponenten gehören der Vergangenheit an. Und viele weitere Argumente für die Cloud werden ins Rennen geworfen. Das der Benutzer seine Daten fremden Firmen anvertrauen muss, ist derzeit allerdings noch schwer vermittelbar und die Datenklauskandale der jüngsten Vergangenheit ala Sony haben auch deutlich die Schwachstellen dieser Systeme aufgezeigt.

Wer seine Daten blind anderen anvertraut, gibt nicht nur langfristig seine Freiheit aus der Hand, sondern diesen wenigen Firmen auch die Macht, eine vollständige Kontrolle über Ihr Leben zu erlangen. Man weiß was Sie tun, wo Sie sich gerade befinden, mit wem Sie sich über was gerade unterhalten, ob Sie in Schwierigkeiten stecken, ob Sie Geld brauchen oder auch zu viel davon haben, für was Sie sich besonders interessieren; kurz: Wer Sie wirklich sind. Und diese Informationen, vor allem im großen Stil, sind Gold wert. Nicht nur für die Werbebranche, die Ihnen zielgerichtet die neuesten Produkte Ihrer Hobbys um die Ohren haut, sondern auch und vor allem für Regierungen, welche schon lange den gläsernen Bürger anstreben. Aber auch Verbrecher oder Terroristen werden durch diese Zentralisierung der Informationen ganz neue Ansätze finden. Einbrüche oder Sabotageakte bei den großen Cloud Providern können uU ganze Regionen lahm legen, Daten manipulieren oder einfach nur stehlen. Ein Risiko das in Kauf genommen wird, weil sich heutzutage Großkonzerne oder Regierungen nicht mehr klar von Verbrechern oder Terroristen abgrenzen. Da ist jeder ein bisschen was von allen…

pronto 2011/07/03 17:10

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