Nicht mal ein Jahr nachdem sich die "zivilisierten" Länder dieser Welt wegen der in China während den olympischen Spielen praktizierten Internetzensur echauffiert haben, folgen sie nun diesem Beispiel auch bei uns. Die heftig umstrittene Sperrung von Internetseiten1) hat mit dem volksverächtenden Thema der Kinderpornografie nun den Fuß in der Haustür der Demokratie, unserer Bürgerrechte und unseren freiheitlichen Grundrechten. Die erfolgreichste ePetition mit über 130.000 Mitzeichnern hat am Ende vermutlich nicht mehr erreicht, als den Score der Unterzeichner zu erhöhen. Das Gesetz wurde im Bundestag von Abgeordneten mit geringer Sachkenntnis reflexartig verabschiedet. Mit populistischen Themen wird hier nicht nur Wahlkampf mit unseriösen Argumenten betrieben, sondern ein grundlegender Schritt in Richtung Kontrolle des Internets betrieben.

“Es wird deutlich, daß das Bundesinnenministerium mit dem Thema Kinderpornographie und der Flankierung durch Familienministerin von der Leyen offenbar einen Bereich herausgesucht wurde, mit dem am ehesten gesellschaftliche Akzeptanz für Sperrmaßnahmen erreicht werden kann. Wenn aber eine solche Infrastruktur erst einmal vorhanden ist, wird eine Ausweitung auf andere Themenbereiche – seien es sogenannte terroristische Propaganda oder Verstöße gegen Urheberrechtsbestimmungen – ein Leichtes sein”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn.

Aber nicht nur China versteht sich im Handwerk der Bürgerkontrolle, auch der Iran hat die Folgen einer staatlichen Kontrolle der Kommunikationswege während den Unruhen nach der umstrittenen Wiederwahl Achmedinedschads eindrucksvoll dargestellt. Internetzugänge wurden gesperrt, E-Mails wurden abgefangen und das Mobilfunknetz wurde abgeschaltet. Die westlichen Regierungen reagierten mit Empörung und Entsetzen. Das in unserem Land bereits eine Massenerfassung von Autokennzeichen auf den Mautbrücken der Autobahnen stattfindet, stört dann wohl auch die Wenigsten auch wenn (oder obwohl) sie derzeit noch illegal ist. Die Ironie der Geschichte ist, daß das Bundesverfassungsgericht 2008 das hessische und schleswig-holsteinische Gesetz zur automatisierten Kennzeichenerfassung mit der Erklärung für nichtig erklärte, die automatisierte Kennzeichenerfassung greife in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ein2). Ein weiteres Beispiel dafür, daß das Bundesverfassungsgericht in Zeiten einer großen Koalition die einzig wirksame Opposition ist. Das sich das BKA dann an die Anweisung hält, keine Daten von Besuchern zensierter Webseiten zu speichern, klingt dann wohl nur beim größten Optimisten glaubwürdig. Der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sollte wohl auch für das Internet gelten … wenn hier nicht, wo dann?

Auch ist Kinderpornografie nicht durch eine Zensur im Internet zu stoppen. Hier wird allenfalls ein versehentliches "Hineinstolpern" in so eine Webseite verhindert. Menschen die sich mit solchen Dingen beschäftigen, halten sich mit ihrer Neigung bereits im Untergrund auf. Sie nutzen hierfür völlig andere Plattformen, wie zB Mailinglisten, wo sie ihre Daten auch ohne damit in die Öffentlichkeit zu gehen, austauschen. Hier mit dem Hebel der Zensur wirkungsvoll Abhilfe zu schaffen, klingt genauso abstrus, wie zu glauben, jemanden vom Bau einer Bombe abzuhalten, bloß weil er dafür keine Anleitung im Internet findet. "Sorry Jungs wir müssen die Sache abblasen, ich habe keinen Plan zum Bau einer Bombe gefunden…" Passend dazu hat die Boulevardpresse kürzlich einen Bericht veröffentlicht, dass die Sauerland Zelle den Plan für ihre Bombe aus dem Internet hat. In meinen Ohren klingt das eher wie ein Erklärungsversuch der Regierung, um ihre Massnahmen zu rechtfertigen. Unterm Tisch fällt dabei, dass die Sauerland Zelle vom usbekischen Geheimdienst ins Leben gerufen oder zumindest maßgeblich gefördert wurde und der Zünderlieferant enge Kontakte zum CIA hat, von dem dann auch der entscheidende Tip auf die Existenz der Gruppe kam3). Erst aufbauen, dann unmittelbar vorher hochgehen lassen. Die Bevölkerung beglückwünscht unseren Staat und fordert am Ende freiwillig noch mehr staatliche Kontrolle. "puh, was hatten wir ein Glück…" Ein Schelm wer jetzt an das Bombenattentat am Bahnhof von Bologna (Italien) denkt. (Stichwort: Gladio4))

Der Widerstand der Bevölkerung gegen (rechtsstaatlich bedenklicher) staatlichen Kontrolle wird müde, wie es scheint. In den späten 70er oder frühen 80er als unsere Bundesrepublik vom RAF Terror heimgesucht wurde, war der Widerstand gegen die heute geradezu lächerlich wirkenden neuen Fahndungsmethoden (zB der Rasterfahndung5)) energischer als heute. Sicher muss man die rasant fortschreitende technologische Entwicklung auch dem Staat zur Verbrechensbekämpfung zugestehen aber bitte nicht auf dem Rücken des Rechtsstaat und des Grundgesetzes. Am Ende steht dann der Bürger unter Generalverdacht. Wehrt euch… 2009 ist Wahljahr!

Allerdings weist zumindest die technische Umsetzung dieser "Zugangserschwerung", wie das Gesetz genannt wird, Lücken auf. Da es einzelnen Regierungen nicht möglich ist, im Ausland stehende Server aus dem Netz zu nehmen, soll der Zugang auf DNS Ebene6) unterbunden werden. Bei Aufruf einer indizierten Webseite soll man auf eine Webseite des BKAs umgeleitet werden, welche mit einem Stoppschild7) auf den kinderpornografischen Inhalt der besuchten Webseite aufmerksam macht. Diese Hürde kann leicht umgangen werden, wenn man die Webseite nicht über seine URL (zB: www.webseite.de) sondern über seine IP-Adresse (zB: 123.234.210.199) aufruft. Des Weiteren stehen zensurfreie DNS Dienste zur Verfügung, die genutzt werden können. Wie man diese benutzt, hat der CCC (Computer Chaos Club) auf seiner Homepage veröffentlicht8). Sollten Sie beim Aufruf der Website www.ccc.de auf eine Webseite des BKAs umgeleitet werden, können Sie diese auch unter der IP Adresse 213.73.89.124 erreichen… ;-)