Aber das wohl nachhaltigste Ereignis dürfte Fukushima sein. »Nachhaltigkeit« ist überhaupt ein Wort, welches ich in der letzten Zeit öfter schon gehört habe; alternativlose Nachhaltigkeit sozusagen. Da treibt ein außer Kontrolle geratener Atom Reaktor (oder vielmehr vier (!) Reaktoren) sein Unwesen und hält die Welt in Atem. Ein im blauen Overall gekleideter Regierungssprecher, was wohl technische Kompetenz ausstrahlen soll, erklärt uns täglich die fast schon dilettantisch anmutenden Versuche der Betreiberfirma Tepco, dass Desaster zumindest halbwegs wieder unter Kontrolle zu bringen. Leider habe ich nicht ausreichenden Sachverstand um alle Maßnahmen bewerten zu können aber vier jämmerliche Hubschrauber die es mal zwei Tage in Fukushima regnen ließen, fand ich dann doch ein wenig komisch, auch wenn es eigentlich nicht zum lachen ist. Wie nachhaltig die jetzt die Umgebung verseuchen und wie lange das zum Sperrgebiet erklärt werden muss, wird sich zeigen aber auch ohne Sachverstand sagt mir mein gesunder Menschenverstand, dass das wohl eine zeitlang dauern wird; nachhaltig eben. Wir können hier nur froh sein, dass es wohl nicht mehr viele AKWs geben wird, die weiter weg von uns stehen, wie die in Japan. Ich kenne aber niemanden, der sich in letzten Wochen nicht so seine Gedanken gemacht hat, wie es um uns steht, wenn das bei uns passiert oder in Frankreich oder in Tschechien oder sonst wo. Zumindest dieser Spekulation müssen sich die (Nord-) Japaner nicht mehr lange hingeben, die ersten spüren bereits jetzt die Auswirkungen sprichwörtlich hautnah und es werden sicherlich noch eine gewaltige Menge Folgeschäden dazukommen. In Fukushima lernen wir jetzt, was wir nach Tschernobyl versäumt haben zu lernen oder es einfach verdrängt haben.
Unsere Politiker sind auch sichtlich geschockt und das kaufe ich ihnen ausnahmsweise sogar mal ab. Wahlkampftaktik hin oder her, ein Weg zurück in das Atomzeitalter ist de facto nicht mehr vermittelbar und wird vermutlich zumindest im politischen Selbstmord enden. Auch diese Erkenntnis wird für den einen oder anderen schockierend sein. Man spürt auch schon in der Berichterstattung und den Nachrichten, dass jetzt die Gunst der Stunde genutzt wird und dem, nicht weniger geschockten Volk, klar zu machen, dass der Ausstieg teuer sein wird und einige, neben dem finanziellen auch ein persönliches Opfer bringen müssen. Sind es nun die Überlandtrassen oder Windräder, beides wird die politische Diskussion die nächste Zeit prägen und selbst den hart gesottenen Widerständlern gegen Windräder wird wohl schnell der Wind aus den Segeln genommen, quasi direkt rein ins umweltfreundliche Windrad. Diese Diskussion haben wir ja quasi gleich um die Ecke in Paunzhausen. Wird auch noch interessant werden, wie die Geschichte dort ausgehen wird. Aber Windräder haben zumindest mal den Vorteil, dass man sie relativ leicht wieder abbauen und entsorgen kann, wenn uns mal was besseres einfällt.
Der Vergleich Fukushima - Tschernobyl drängt sich natürlich auf, wobei sich da die Experten uneinig sind, welche Dimension letztlich Fukushima im direkten Vergleich mit seinem nun doch amtlichen Kategorie 7 Bruder in der Ukraine erreichen wird. Ich kann es sicherlich nicht sagen aber mich erstaunt doch, dass sogar der Betreiber Tepco, der nun wirklich jeden Grund hätte den Ball flach zu halten, mit Aussagen die Öffentlichkeit überrascht und hier und da wirklich mal den Teufel Wand malt. "Fukushima hat das Potential Tschernobyl noch zu übertreffen, zumindest was den Gesamtausstoß von Radioaktivität betrifft", aber die internationale Atomenergiebehörde in Wien wiegelt sofort wieder ab, "Nein nein, das wird alles nicht so schlimm". Verkehrte Welt aber da stehen sich wohl Parteien gegenüber, die zum einen schon alles verloren haben und auf der anderen Seite die, die noch alles verlieren werden. Der Atomlobby steht der Angstschweiß ins Gesicht geschrieben und selbst die zuverlässigsten Säulen brechen weg und versuchen ihre eigene Haut zu retten. Fukushima war vermutlich der Todesstoß der Atomlobby, auch wenn jetzt nicht sofort der Tod eintreten wird, sie sind definitiv angezählt.
Aber Fukushima unterscheidet sich doch in ganz wesentlichen Punkten von Tschernobyl. Tschernobyl hatte damals noch das Glück in einer Diktatur explodiert zu sein, was es relativ einfach machte mehr als eine halbe Millionen "Freiwillige" aufzutreiben, die da den Schutt weggeschafft haben. Das wird in Fukushima nicht so leicht werden aber das Trümmerfeld ist unübersehbar und letztlich haben sie es ja auch noch mit mindestens drei Totalschäden zu tun. Nein, ich möchte auf keinen Fall mit denen tauschen, die dann letztlich doch irgendwann mal da rein müssen und das in absehbarer Zeit. Fukushima hingegen hat den Nachteil, dass es in einem hochtechnisierten und sehr sicherheitsbewussten Land steht. Somit verpuffte quasi mit den Wasserstoffexplosionen das 25 Jahre lang aufrecht erhaltene Märchen, dass ein Super-GAU nur in Schwellenländern denkbar ist und in den richtigen Händen ein AKW als sicher gilt. Auch hege ich die Annahme, dass jetzt 25 Jahre später eine streitlustigere und obendrein von der Politik bitter enttäuschte Gesellschaft vorhanden ist, die der politischen Elite in unserem Land durch aussagekräftige Wahlergebnisse den Freifahrtschein entzogen hat. Zumindest habe ich die Hoffnung, dass es so sein könnte.
Jetzt regieren ja schon die Grünen in Baden-Württemberg. Die Merkel strauchelt von einem Problem zum nächsten und verliert reihenweise ihre tapferen Knappen. Mappus weg, Brüderle weg, Westerwelle nur noch ein Schatten seiner selbst und mitten drin lässt sich Guttenberg auch noch beim Mogeln erwischen; demnach auch nicht mehr verfügbar. Rösle soll es jetzt beim Koma-Patienten FDP wieder richten. Wer krank ist, braucht schließlich einen Arzt. Ja so kann man auch politischen Selbstmord begehen aber mir soll es recht sein, ohne FDP (bzw. deren Sitze im Bundestag) ist auch die CDU nicht wirklich handlungsfähig. Jetzt bleibt bloß noch dem neuen grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg ein glückliches Händchen zu wünschen. Den Grünen hat Fukushima sowieso nur einen Vorschuss gewährt, den sie sich jetzt erst wieder verdienen müssen. Auch kein leichtes Amt da in Stuttgart. Aber immerhin wurde der Mappus, das arrogante Ar***, schon mal mit seinen Wasserwerfern ins politische Endlager gespült. Ein Schicksal von dem ich glaube, dass von den politischen Verlieren der letzten Wochen, der Guttenberg verschont bleiben könnte, zumindest mittelfristig. Da kommt so das Käßmann Phänomen ins Spiel. Auch wer ein hohes Amt bekleidet, steht zu seinen Fehlern und legt seine Ämter nieder. Das hat der Käßmann so viele Sympathien eingebracht, dass sie sogar mal kurz als Bundespräsidenten gehandelt wurde. Irgendwann hat scheinbar auch die Nachhaltigkeit mal ein Ende. Wäre mir eh lieber gewesen als der Wulff aber ich wurde leider nicht gefragt. Aber durch die Hintertür der Reue und Buße haben sie die Bühne verlassen und kommen durch die Tür der Verzeihung und Vergebung wieder rein. So schätze ich das auch beim Guttenberg ein, aufgepasst, der will noch Bundeskanzler werden. Das hängt allerdings ziemlich stark davon ab, wie seine Parteifreunde die Zeit bis zu den nächsten Bundestagswahlen überstehen, da kann noch viel passieren.
Ja dann hätten wir da noch den Gaddafi und unsere Zurückhaltung beim Nato Einsatz in Libyen. Auch wenn es vermutlich aus anderen Motiven heraus geschehen ist, dass unsere Regierung sich mit ihrer Stimme enthalten hat, sehe ich das gar nicht so falsch. Sicher, nachdem die Sache in Tunesien und Ägypten recht elegant über die Bühne ging, war man vielleicht ein wenig enttäuscht, dass sich die Dinge in Libyen nicht so entwickelt haben, wie man es gerne gesehen hätte aber ich wäre vermutlich doch etwas vorsichtiger ans Werke gegangen. Wissen wir eigentlich, wer das rebelliert? Könnten da nicht auch Trittbrettfahrer wie zB die Al-Quaida darunter sein? Wäre ja nicht das erste mal, dass die ehemals Verbündeten plötzlich als Despoten wieder aus den Häusern gejagt werden, in die man sie zuvor gesetzt hat. Auch finde ich es fragwürdig, jeden Aufstand zu unterstützen, nur weil es ein Aufstand ist oder jeden Rebellen Luftunterstützung zu gewähren, nur weil er selber keine hat. Die Geschichte ist, wenn sie nicht falsch ist, auf alle Fälle grenzwertig. Wo fängt man damit an und wo hört man damit wieder auf? Die jüngste Geschichte sollte uns gelehrt haben, dass wir besser unsere Finger aus Dingen heraus halten sollten, wenn wir keinen Plan in der Tasche haben, wie die Geschichte dann weiter gehen soll, wenn das Primärziel mal erreicht ist. Allerdings sind sich zumindest in dieser Sache mal so ziemlich alle einig und wollen den Gaddafi los werden. Auch wenn wir nicht mitmachen, wirklich dagegen sind wir auch nicht und kürzlich hat sogar Russland dem Nato Einsatz zugestimmt, die waren ja erst auch energisch dagegen. Aber jetzt überschlagen sich halt die Ereignisse, der Mubarak sitzt nun im Gefängnis. Welches Signal sendet das an Gaddafi? Der sieht damit doch nur die Ausweglosigkeit seiner Situation. Wenn schon der alte Busenfreund der westlichen Nationen (Mubarak), welcher sich obendrein auch noch relativ kampflos ergeben hat - zumindest wenn man es jetzt mit Libyen vergleicht - was wird dann mit Gaddafi geschehen? Logisch, der kann sich glücklich schätzen wenn er nicht hingerichtet wird, warum also jetzt aufgeben? Da haben wir, die Nato mit UN Mandat, wieder so ein Fass aufgemacht, von dem wir nicht wissen was am Boden auf uns wartet.
— pronto 2011/04/16 12:30
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