»03.12.2008 Tyrrhenisches Meer 40°10′N, 13°07′E 1200 UTC +1«
"I wish I could say that the weather remains so beautiful…" mit diesen Worten begrüßte mich Sanjeeva, der Erste Offizier auf der Brücke, als ich mir die Noon Time Position aus dem Logbuch notierte. Der Noon Time Report ist ein ausführlicher Bericht, wo die Position, Wetterdaten, Wellenhöhen und weitere Informationen um 1200 (12:00 Uhr Schiffszeit = Noon Time) festgehalten werden. Ich machte mir diesen Report zu Nutze um ein regelmäßiges Update der täglichen Position in einem einheitlichen 24 Stunden Rythmus in meine digitale Weltkarte zu übertragen. Das hat den Vorteil, daß ich mir diese Information holen kann, wann ich will. Andernfalls habe ich das Problem, wenn ich mir die Position vom GPS direkt hole, immer nur die derzeit aktuelle Position zu bekommen und somit mal eine Position von 08:00 Uhr Morgens, mal von 14:00 Nachmittags oder wann auch immer in meiner Karte habe. Schaut dann halt etwas chaotisch auf der Karte aus und lässt nicht wirklich ein Gefühl dafür aufkommen, wie viel man jetzt in einem Tag so hinter sich bringt.
Anyway, die Sonne strahlte, es war schön warm und wir steuerten die Straße von Messina1) an. Die Straße von Messina ist die Meerenge zwischen Sizilien und dem italienischen Festland. Ich freute mich schon darauf, da wir den Vulkan Stromboli2) bei Dunkelheit passieren werden. Der Stromboli ist einer der aktivsten Vulkane und die Chancen einen Ausbruch zu beobachten ist hier besonders hoch, vor allem Nachts ist dann das Scheinen des Feuers deutlich zu sehen. Ein Blick auf das Barometer, welches ein 24 Stunden Langzeitdiagramm auf eine Papierrolle schreibt, zeigte allerdings einen deutlichen Knick nach unten an. "Yes this is the problem. The weather forecast is not so good…" meinte Sanjeeva.
Das Wetter blieb ruhig bis wir das Tyrrhenische Meer3) durch die Straße von Messina verließen und in das Ionische Meer4) einliefen. Am frühen Morgen des 04.12 so gegen 0200 nahm der Seegang dann deutlich zu. Das Barometer ist in den letzten vier Stunden auf mittlerweile 998 mbar gefallen. Das ist eine ganze Menge und ein deutliches Zeichen für schlechtes Wetter und starken Wind. Es wiederholten sich dann auch die Ereignisse der ersten Nacht. Die Schubladen flogen auf und zu, die Tische räumten sich ab, die Stühle flogen quer durch die Kabinen, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Man konnte den Lärm aus den anderen Kabinen hören, dort spielte sich das gleiche Chaos ab und somit wusste man mit einem Schmunzeln im Gesicht, man ist nicht alleine mit seinen Problemen. Aber diesmal wurde ich vorgewarnt bzw. habe den Wink verstanden und meine Wertsachen vorher schon in Sicherheit gebracht.
Diesmal allerdings dauerte der Spuk so ca. 40 Stunden, was eine weitere Nacht bei diesem Seegang bedeutete. Das zerrt dann schon an den Nerven. Ich als Passagier konnte mich auch tagsüber mal ein paar Stunden hinlegen und versuchen ein wenig Schlaf zu bekommen aber die Crew hat dieses Privileg nicht. Bei einer Party später auf der Reise, ich hatte mittlerweile meine Freunde auf dem Schiff, hat mir Marius dann mal erzählt, dass diese zwei Tage recht unangenehm waren, keiner hat in diesen zwei Nächten richtig geschlafen. Es war nicht wirklich ein problematischer Sturm, wir hatten Stärke 8, was für Sir Francis Beaufort5) gerade mal Starkwind gewesen ist. Dieses Wetter ist für ein Schiff dieser Größe nicht wirklich eine Herausforderung, solange alles funktioniert. Ein Maschinenausfall oder Ruderschaden wäre natürlich fatal aber wir waren ja nicht auf einem Seelenverkäufer unterwegs. Wirklich unangenehm war allerdings, daß unser Schiff relativ leicht gewesen ist, wir hatten so gut wie keine Ladung. Die Wirtschaftskrise hat die großen Reedereien bereits voll erfasst. Ein leichtes Schiff liegt nicht sehr tief im Wasser, was den Schwerpunkt in die Höhe treibt und das Schiff zum Spielball auf dem Wasser werden lässt. "Not really a problem for the ship but a problem for us…"
Fortsetzung…
~~DISCUSSION:off~~